Tasmanien

29.02.

Auf dem Flug zwischen Auckland und Hobart niesen und husten viele Leute, keiner trägt eine Maske. Hoffen wir einfach mal das Beste. Trotz kräftigem Wind gelingt dem Piloten eine butterweiche Landung. Bevor wir durch Zoll und Passkontrolle durch sind, ist die Nutzung des Telefons verboten – sagen zumindest die Schilder. Die erste Zollbeamte schickt uns zu ihrem Kollegen. Von ihm werden wir einem kleinen Fragenmarathon unterzogen. „Wir lange bleibt ihr? Was macht ihr beruflich? Was ist der Zweck eures Aufenthaltes? Transportiert ihr in eurem Gepäck Sachen für jemand anderen? Kennt ihr jemanden in Australien? Wann habt ihr die Tickets gekauft? Wer hat für die Tickets bezahlt?“ Und noch ein paar andere. Der Beamte macht einen netten Eindruck, aber man merkt auch, dass er nicht nur fragt, um Smalltalk zu halten. Vermutlich steckt Taktik dahinter. Die Biosecurity lief da ganz anders. „Habt ihr was zu deklarieren?“ „Ja“ „Okay, geht weiter…“ Na gut, dann erzählen wir nicht, welches gefährliche Obst wir dabei haben und von unserem Schuhwachs erzählen wir auch nicht.

Es dauert ewig, bis unsere Rucksäcke auf dem Band an uns vorbeifahren. Mit meinem Rucksack muss jemand ganz besonders viel Spaß gehabt haben. Die Schutzhülle und auch das untere Fach des Rucksacks haben jetzt Löcher. Schön, dass das schon bei Ankunft im zweiten Land der Reise soweit ist. Hoffentlich hält er das Jahr durch. Wir suchen einen Schalter von Air New Zealand, um den Schaden zu melden. Dort erzählt man uns, dass bereits geschlossen sei und händigt uns ein Formular mit einer Internetadresse für Beschwerden aus.

Es gibt keinen Verkaufsstand für Handy-Karten am Flughafen. Schade, das war sehr bequem in Neuseeland. Boost hätte zum Beispiel eSIMs, die wollen sie aber nur per App verkaufen und die ist nur im australischen App Store vorhanden, an den wir mit unseren deutschen Accounts nicht rankommen. Also noch schnell ein paar Offlinekarten über das Flughafen-WLAN laden und dann den Weg in die Stadt suchen. Mit dem Sky Bus fahren wir ins Zentrum von Hobart. Unterwegs sehe ich die ersten „Kängurus“ (relativ klein, also waren es vermutlich Wallabies). Wie sie ausgerechnet am Straßenrand des Highways schlafen können, verstehe ich nicht.

In der Innenstadt suchen wir eine Geldwechselstube, damit ich endlich die nutzlosen Euros loswerde, die ich schon seit zwei Monaten mit mir rumschleppe. Leider nehmen die nur die Scheine an, so bleibe ich auf den Münzen sitzen. Direkt daneben ist ein Laden von Telstra. Sie verkaufen uns SIM-Karten, raten uns aber zu einer Online-Aktivierung, so gibt es mehr Datenvolumen. Wir sind also weiterhin offline und machen uns mit dem regulären Bus auf den Weg zu unserer Unterkunft. Wie schon in Neuseeland gibt’s auch hier keine Stationsansagen im Bus, sodass wir aufpassen müssen, um den richtigen Absprung zu erwischen.

Eine überaus nette Tasmanierin nimmt uns in Empfang und zeigt uns unser Reich. Wir haben ein Zimmer im Häuschen hinten im Garten. Unten ist das kleine Bad mit Klo und Kaltwasser-Waschbecken. Oben ist der Wohn- und Schlafraum mit kleiner Küchenecke. Warmwasser gibt’s nur per Wasserkocher. Das WLAN aus dem Haupthaus reicht leider auch nicht wirklich bis hier. Wenn wir das nutzen wollen, sollen wir einfach runter auf die Veranda oder ins Haupthaus kommen. Dort gibt’s auch noch ein richtiges Badezimmer mit warmer Dusche, das wir jederzeit nutzen dürfen.

Ich nehme erstmal meinen Rucksack auseinander, um herauszufinden, wie weit der Schaden reicht. Drinnen scheint noch alles ganz zu sein. Dann aktivieren wir unsere SIM-Karten auf der Veranda im strahlenden Sonnenschein. Ich erhalte immer wieder im letzten Schritt einen „unerwarteten Fehler“ und darf jedes Mal wieder alle Eingaben ganz von Anfang an machen. Irgendwann schalte ich alles aus, was zumindest für ein bisschen Privatsphäre im Internet sorgt – Werbeblocker, Privates Surfen… – und siehe da, die SIM-Aktivierung klappt. Wir erzählen noch etwas mit der Vermieterin. Sie gibt uns ein paar Tipps für Hobart. Wir sagen artig Danke. „Ich mag die Europäer, die sind immer alle so freundlich.“ „Selbst die Deutschen?“ „Ja, selbst die.“

Wir brechen zum nächstgelegenen Supermarkt auf. Hier wollen wir uns mit allem eindecken, was wir für die nächsten Tage und Wochen brauchen könnten. Verrückterweise kann man den Einkaufswagen hier wieder über alle vier Räder steuern, in Neuseeland waren immer zwei Räder starr. Wir kaufen natürlich komplett vernunftgesteuert ein, sodass ein Napf Ben & Jerry’s – Phish Food auf jeden Fall im Wagen landet. Wieder zu Hause füllt Lulu das Schadensformular bei Air New Zealand aus, ich recherchiere ein bisschen für die nächsten Tage und beide löffeln nebenbei Eis. Meine Recherche geht langsam in die Suche nach Abendbrot über. In North Hobart (oder NoHo, wie die coolen Kids sagen) reiht sich ein Restaurant ans nächste. Dort finden wir einen Mexikaner namens Pancho Villa. Der ist hübsch eingerichtet, das Essen ist echt lecker und wirkt recht authentisch. Mal sehen, was wir dann am Ende des Jahres darüber denken. Als Dessert bestellen wir ein Tequila-Probierbrett. Es lassen sich sogar Unterschiede erschmecken.

01.03.

Wir schlafen erstmal aus, dann gibt’s Frühstück, dann wird noch ein bisschen recherchiert und dann folgt erstmal ein Nickerchen. Nachdem wir diesen schwierigen Tagesanbruch hinter uns haben, brechen wir auf in die Stadt. Dabei laufen wir einmal die komplette Fressmeile von NoHo ab, immer geradeaus bis wir am Hafen ankommen.

Direkt nebenan ist Mawson’s Huts Replica Museum. Hier wurde die Hütte nachgebaut, die ab 1911 der Australasiatischen Antarktisexpedition als Basislager in der Antarktis diente. Noch heute steht sie dort und wurde mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt. Kaum sind wir in dem Museum und lesen eine der Tafeln an der Wand, ruft uns Terry. Er arbeitet hier als Freiwilliger und startet gleich einen kleinen Vortrag vor einer der Karten. So erfahren wir zum Beispiel, dass dies die ersten Expeditionen waren, die eine Funkverbindung nach Hause hatten, sie brauchten allerdings die Macquarieinsel als Relaisstation. Heutige Expeditionen in die Antarktis starten meist aus Südamerika. Die große Ausnahme sind Touren zur Vogelbeobachtung, die meist von Australien oder Neuseeland starten. Noch heute hat Australien einen Claim auf 42% des antarktischen Festlandes. Es gibt allerdings internationale Abkommen, die besagen, dass die Antarktis staatenlos bleiben soll. Daher sind wir ein bisschen ratlos, was der Claim genau bedeutet.

Nachdem Terry fertig ist, dürfen wieder alle ausschwärmen und da weitergucken und -lesen, wo sie eingesammelt worden sind. Auf einer Karte mit allen Forschungsstationen finden wir auch ein paar deutsche Einträge. Die Neumayer-Station 3 wird permanent betrieben, die anderen alle nur im Sommer. Aber auch mein nicht mehr existierendes Heimatland war bis 1993 mit der Georg-Forster-Station vertreten. Terry ruft wieder. Der nächste Vortrag steht an, diesmal im Inneren des Hüttennachbaus. Es geht um das Leben damals und um die Expeditionen Mawsons. Auf die eine Expedition ging er zu dritt und kam allein, halbverhungert und schwerkrank zurück. Zu allem Überfluss hatte er auch gerade die Abfahrt des Schiffes nach Hause verpasst, sodass er und die Leute, die während der Expedition in der Hütte zurückgeblieben waren, dort überwintern mussten. Jeder hatte seine fachliche Aufgabe. Alltägliche Aufgaben wurden reihum verteilt: Küche, Latrine…

Terry ist wieder fertig, wir starten den dritten Anlauf, ein paar der Videos zu gucken, einige der Info-Tafeln zu lesen und die Ausstellungsstücke zu begutachten. Wenn wir das alles zuerst in Ruhe gemacht hätten, hätten Terrys Vorträge viel mehr Sinn ergeben. Wir stöbern noch ein wenig durch das Innere der Hütte. Als der nächste Vortrag startet, gehen wir.

Wir suchen den Salamanca Market auf. Heute ist zwar kein Markttag, aber nach der anstrengenden Expedition haben wir uns ein Stück Kuchen und ein passendes Heißgetränk verdient, finden wir. Nebenan ist auch gleich ein Kathmandu-Store, der Outdoor-Ausrüstung anbietet. Das passt sehr gut, da wir noch Gaskartuschen für unseren Kocher brauchen. Bald sind wir ja wieder unterwegs. Wir kommen dort mit dem Verkäufer ins Gespräch. Er arbeitet nebenbei (oder arbeitete früher?) als Tourguide. Er gibt uns ein paar Tipps für unsere verbleibenden Tage in Hobart (Kelly Steps, Battery Point, Musikabende auf einem Hinterhof um die Ecke), Tasmanien (Cradle Mountain Face Track, paddeln in Corinna, Gordon River Cruise mit einem der roten Boote) und Indonesien (nicht zu lange auf Bali bleiben, ein indonesisches Pompeji, ein Riesen-See mit Insel in der Mitte, Dorf zum Orang-Utans gucken). Mal sehen, was wir davon schaffen. Ich kaufe Tenacious Tape, um meinen Rucksack und den Übersack zumindest notdürftig flicken zu können und drohe mit Rückkehr, falls das nix taugt. Der Verkäufer nimmt’s gelassen. Von den mobilen Solar-Panels, mit denen wir unterwegs Handys und/oder Powerbanks laden könnten, rät er uns ab. „Die laden nicht besonders schnell und wenn ihr noch nach Singapur und Japan wollt, kriegt ihr auf den Elektronikmärkten dort sowas bedeutend günstiger als hier.“ Cooler Typ.

Wir suchen den Battery Point auf. Mit dem Bau von Verteidigungsanlagen haben es die Hobarter nicht so. Die erste Anlage hatte keine Sicht auf das zu beschießende Areal und war nicht nur deshalb völlig ungeeignet, um Hobart zu verteidigen. Man könnte meinen, sie lernen aus den Problemen der ersten Anlage und beseitigen sie in der zweiten Generation. Doch nicht nur die, sondern auch die dritte Verteidigungsanlage kämpfte mit genau denselben Problemen. Der heutige Park und der Stadtteil Battery Point sind aber ganz hübsch anzuschauen.

Wir lassen uns für eine Weile auf einer Kaimauer am Wasser nieder und suchen nach Orten fürs Abendbrot. „Wir gehen einfach mal spontan drauf los…“ In der Innenstadt sagt uns heute nichts so richtig zu oder sieht schon komplett voll aus. Es gibt ein kleines Open-Air Festival. Für die abends kühlen Temperaturen bei Wind sind wir aber leider etwas zu dünn bekleidet. Wir stapfen also weiter. In NoHo kehren wir bei einem Italiener ein. Lulus Pilzrisotto ist leider ziemlich ölig und meine Pizza wirkt auch nicht sonderlich italienisch. Was will man machen?! Zu Hause wartet noch der Rest vom Eis auf uns, das wir leider beseitigen müssen.

02.03.

Aufstehen, frühstücken, Sachen packen und aus der Ferienwohnung ausziehen. Wir fahren mit dem Bus in die Innenstadt und von dort mit dem Sky Bus zum Flughafen, wo wir unser Auto für die nächsten Tage einsammeln.

Uns wird das Upgrade auf ein größeres Modell mit Allradantrieb ans Herz gelegt. Inbesondere bei den Ecken, in die wir so fahren wollen. Da werden uns einige unbefestigte Straßen begegnen. Naaa gut, nehmen wir das mal… „OK, dann bitte bezahlen. Das ist der Preis fürs Auto, das hier ist das Upgrade und das hier die Kaution“ „Moooment… Das Auto haben wir schon bezahlt.“ Der nette Herr lädt sein System neu, startet den Rechner neu und zeigt mir wieder den vollen Preis. Ich zeige ihm meinen ADAC-Buchungsgutschein, den Umsatz bei Paypal dafür und die Buchung von Paypal auf meinem Konto. Wir gucken uns etwas verwirrt an. Was mag da schiefgegangen sein?! Sein Kollege kommt aus dem Hinterstübchen. „Einfach mal die Zahlung starten. Hatte ich neulich auch.“ Tatsache, auf dem Kartenterminal erscheint nur der Preis für das Upgrade und die Kaution. Blöde Computer. Trotzdem macht sich große Erleichterung auf beiden Seiten des Tresens breit, auch wenn die Verwirrung nicht weichen will.

Draußen wartet ein dunkelgrauer Isuzu MU-X auf uns. Der und unser Zelt werden unser Zuhause für die nächsten zwölf Tage. Lulu tauft ihn kurzerhand das Archer-Mobil. Bei mir verfängt dieser Spitzname nicht so recht. Wir werfen unseren Kram in den Kofferraum und fahren zum nächstgelegenen Supermarkt. Wir versuchen so einzukaufen, dass wir keinen Kühlschrank brauchen, aber uns dennoch nicht nur von Tütensuppe ernähren müssen. Wir stärken uns noch bei McDonald’s, bevor wir wirklich aufbrechen. Die Karte hat keine wirklichen Überraschungen. Wie in Neuseeland gibt es auch hier einen Burger mit Roter Bete. Bei dem einen Jungen fragen wir uns, ob er wirklich schon alt genug ist, um zu arbeiten. Der sieht doch arg jung aus. Wird schon irgendwie im Einklang mit den tasmanischen Jugendschutzgesetzen sein…

Neben einigen toten Wallabies gibt es auch allerhand Müll am Straßenrand. Das sind wir aus Neuseeland anders gewohnt. Die Schafe auf den Weiden sehen auch merkwürdig angekokelt aus. Was allerdings wie in Neuseeland läuft, ist, dass Lulu nach kurzer Zeit selig schlummert. Unser erster richtiger Stopp ist der Tasman Arch, eine natürliche Brücke. Bloß nicht vergessen, den Nationalpark-Pass hinter die Windschutzscheibe zu legen, sonst gibt’s am Ende noch Ärger. Einen ganz kurzen Spaziergang vom Tasman Arch entfernt ist die Devil’s Kitchen, eine tiefe Schlucht, die nahezu rechteckig von der See aus der Steilküste herausgeschnitten wurde und wo das Wasser vor und zurück schwappt. Auf dem Hinweg laufen wir am Tasman Arch vorbei, sodass wir ihn sehen können, auf dem Rückweg laufen wir drüber. Dabei kommen wir an Bäumen vorbei, an denen kleine Klobürsten wachsen.

Eine kurze Autofahrt weiter liegt ein Blowhole. Hier soll der Ozean durch einen unterirdischen, natürlichen Kanal schwappen und am anderen Ende in die Höhe spritzen. Heute ist wohl nicht die richtige Wetterlage dafür. Hier passiert so gut wie gar nix. Ein Beeren-Eis gönnen wir uns trotzdem. Am Aussichtspunkt auf den Eingang des unterirdischen Kanals und die Bucht drum herum steht ein seltsamer Herr hinter der Absperrung und tottert vor sich hin. „Alle sind so bescheuert. Aber ich nutze die Cloud nicht. Sowieso, wie lange es überhaupt dauert, ein Video in die Cloud zu laden. Aber ich nicht. Ich hab alles auf SD-Karten. Da ist alles immer sofort gespeichert. Das kann mir keiner wegnehmen.“ Wir halten ein bisschen Sicherheitsabstand und sind eigentlich recht froh, dass er auf der falschen Seite der Absperrung steht, so ist die wenigstens noch zwischen uns. Bloß nix anmerken lassen und die Aussicht trotzdem genießen.

Ein Stückchen weiter, kurz vor Port Arthur, ist auch schon unser Campingplatz für heute Abend etwas abgelegen von der Hauptstraße. Wir checken ein und kriegen einen Stellplatz zugewiesen. Der entpuppt sich als etwas abschüssig und mit Wallaby-Kötteln überzogen. Zumindest hoffen wir, dass sie von Wallabies stammen. Wir befreien eine halbwegs gerade Fläche von Kötteln und pieksigen Stöckchen und Zweigen und stellen unser Zelt auf. Im Auto schieben wir die Vordersitze ganz nach vorne und haben hinten ein schön geräumiges Wohnzimmer. Ich versuche, meinen Rucksack notdürftig mit dem Tenacious Tape zu flicken. Mal sehen, wie lange das hält. Zum Abendbrot gehen wir in die Gemeinschaftsküche des Campingplatzes. Heute gibt es Spaghetti mit Fertigsoße aus dem Glas.

Im Halbdunkeln lassen sich die ersten Wallabies auf dem Platz blicken. Später finden wir sie auch in direkter Nachbarschaft zum Zelt. Ein Sturm zieht auf, es soll aber fast trocken bleiben in Port Arthur. Der Schlaf war trotzdem relativ unruhig. Ist ja außerdem auch noch die erste Übernachtung im Freien in diesem gefährlichen Australien.

03.03

Es ist immer noch sehr windig. Hin und wieder fällt der Strom auf Teilen des Platzes aus. Lulu hatte Glück beim Duschen und hatte durchgehend warmes Wasser. Die Frau nach ihr stand plötzlich nur noch mit kaltem Wasser da, bis der Strom wieder an war. Zum Frühstück fliehen wir vor dem Sturm in die Gemeinschaftsküche. Für die Umstände draußen sind hier relativ wenige Leute. Sind die alle schon durch? Während wir unser gesamtes Paket Eier hartkochen, unterhalten wir uns mit einem älteren Ehepaar. Sie sind ein Jahr durch Australien gereist, trotz zwischenzeitlichem Armbruch. Als die Eier fertig sind, widmen wir uns unserem Frühstück: Jeder ein Ei und dazu Cornflakes mit Milch aus 200-Milliliter-Päckchen.

Unser größter Tagesordnungspunkt ist heute die Historic Site. Hier stand im 19. Jahrhundert ein berüchtigtes Gefängnis. Ich habe leider keine Buchungsbestätigung erhalten und bin deshalb etwas nervös. Aber wie sooft muss ich nur die Frage „Auf welchen Namen?“ richtig beantworten, dann geht’s auch ohne. Aufgrund des Sturmes fällt heute die Bootstour durch die Bucht aus, die normalerweise zur Führung gehört. Dafür bekommen wir 10% des bezahlten Preises erstattet.

Punkt 11 Uhr startet die Tour Escape from Port Arthur. Im Prinzip war die komplette Halbinsel ein Gefängnis für Wiederholungstäter. Abgeriegelt wurde am Eaglehawk Neck, wo sich an der schmalsten Stelle eine Kette aus scharfen Hunden befand, um eine Flucht zu verhindern. Außerdem wurde das Gerücht gestreut, dass in den Buchten links und rechts des Übergangs Haie leben, die mit Fleischbrocken von den Wärtern angelockt werden. Die Kette aus Hunden gab’s wirklich. Von den Haien gab’s nicht mehr als woanders auch. Wir hören diverse Geschichten über Fluchtversuche, wobei die meisten Ausbrecher nach einer Woche schon wieder zurück im Gefängnis waren. Einige wurden von Soldaten geschnappt. Andere stellten sich entkräftet selbst, weil sie die noch zu durchquerende Wildnis unterschätzt hatten. Einer der ausgefalleneren Versuche war jemand, der sich sonst um die Hunde kümmerte, weswegen sie auf ihn nicht ansprangen. Er versuchte als Känguru getarnt in die Freiheit zu hopsen. Die Hunde waren kein Problem, aber er bemerkte noch rechtzeitig, dass sich ein paar Wärter ein schönes Stück Kängurufleisch zum Abendessen schießen wollten, ließ seine Tarnung fallen und wurde direkt zurückgeführt. Ein anderer durchschwamm die Eaglehawk Bay. All seine Sachen und Proviant hatte er sich mit einem Gürtel auf den Kopf geschnallt. Er stellte sich trotz seiner Vorbereitungen bereits fünf Tage später. Bei einer anderen Gruppe dauerte es etwas länger. Sie waren so dreist, an einem nebligen Tag das Ruderboot des Gefängniskommandanten zu klauen und ruderten damit in südlicher Richtung einmal um Tasmanien herum bis an die Westküste. Dort waren sie aber zum Umdrehen gezwungen, ruderten zurück, an Port Arthur vorbei und schafften es irgendwie in ihrer kleinen Jolle rüber nach New South Wales, drüben in Festland-Australien. Dort wurden sie aber schließlich doch noch erkannt und verhaftet.

Nach der Tour sehen wir uns das Haus des Kommandanten an, das mit der Zeit immer weiter wuchs. Nach Schließung des Gefängnisses war es erst Hotel und später Privathaus. Heute gehört es zum Museum. Auf dem Gelände wurde auch eine psychiatrische Anstalt errichtet. Heute befindet sich darin ein Café, das wir gern zur Stärkung nutzen. Danach gehen wir weiter in den Einzelhaftblock. Der wurde nötig, weil die ursprüngliche Strafe für Vergehen wie Flucht, die Peitschenhiebe, durch Einzelhaft ersetzt wurde. Hier gibt’s einen sogenannten Site Talk, der nicht ganz so ausführlich wie eine der bezahlten Führungen ist, aber dafür kostenlos. Für die Häftlinge war jegliche Form der Kommunikation verboten. Um die Isolation noch zu erhöhen, wurden sie auch noch ihres Namens beraubt und während ihrer Zeit hier im Block nur mit ihrer Zellennummer angesprochen. Die Wächter unterhielten sich untereinander nur per Zeichensprache. Das Highlight des Tages eines Einzelhäftlings war vermutlich die eine Stunde am Tag, die er alleine auf dem Hof verbringen durfte. Für die Zeit in den Zellen bekamen sie Arbeit gegeben, die sie zu verrichten hatten. Bei weiteren Vergehen konnte die Einzelhaft auch noch verschärft werden. Es gab auch Zellen ohne Licht, in denen man 30 Tage bei Brot und Wasser gehalten werden konnte.

Wir ströpern noch ein bisschen über das Gelände und brechen dann auf. Nächster Stopp ist die Remarkable Cave. Auf dem Parkplatz ist es so windig, dass das Auto ordentlich wackelt. Außerdem schneit der salzige Schaum von den Wellen unten in der Bucht die Klippen hoch bis zu uns. Ein kurzer Weg führt runter in eine Schlucht. Dort kann man von einem Aussichtspunkt durch einen natürlichen Tunnel hinaus auf die Bucht gucken. Aufgrund des aktuellen Wetters schwappt es hier gut rein und einige Leute werden ziemlich nass.

Von der Remarkable Cave fahren wir zu unserem heutigen Zeltplatz am Rande des Freycinet Nationalparks. Unterwegs sehe ich das erste lebendige Wallaby am Straßenrand entlanghoppeln. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Lulu es gesehen hat, da sie mal wieder auf dem Beifahrersitz döst. Wir finden unsere Reservierung und welchen Platz wir belegen dürfen an einem Aushang am Besucherzentrum. Die Stellplätze sind alle unterteilt in Buchte für das Zelt und Platz für das Auto. Der Boden in der Zeltbuchte ist allerdings so hart, dass wir die Heringe in den Boden kloppen müssen mit einer hölzern Wurzel, Wurzel, Wurzel, Wuhurzel… Vielen Dank für diesen Ohrwurm. Direkt hinter uns ist der Strand. Zum Glück brechen die Büsche und Bäume den Wind etwas, bevor er auf das Zelt prallt. Am Toilettenhäuschen warnen Aushänge vor Zecken mit Flinders Island Fieber und vor Mücken mit Ross River Fieber und noch irgendwas. Wir sind also bestens untergebracht. Wir essen Abendbrot in unserem mobilen Wohnzimmer. Draußen kochen ist bei dem Wind nicht drin. Ich schlafe diese Nacht mit Ohropax und das klappt auch besser als in der Nacht zuvor.

04.03.

Wir wachen um kurz vor 9 Uhr auf, durch ein Auto, das für eine Weile brummend neben unserem Zelt steht. Wir finden auch noch heraus warum, als wir eine Zahlungsaufforderung hinter unserem Scheibenwischer finden. Während der Reservierung konnten wir nicht online zahlen und als wir gestern ankamen, war das Besucherzentrum schon über zwei Stunden lang geschlossen. Erstmal frühstücken. Es ist immer noch windig, also müssen wir weiter mit den begrenzten Möglichkeiten in unserem Wohnzimmer auskommen.

Anschließend stapfen wir zum Besucherzentrum. Am Wegesrand begrüßt uns ein Kookaburra. Wir checken ordnungsgemäß ein. Damit dürfen wir das Knöllchen getrost wieder vergessen und alles ist in Ordnung. Uns werden auch noch Tipps für die Schleife gegeben, die wir heute wandern wollen. Wir sollen mit dem Auto bis zum letzten Parkplatz fahren, sonst fügen wir nur vier Kilometer Wanderstrecke hinzu, ohne wirklich etwas dabei zu gewinnen. Am besten sollen wir die Schleife im Uhrzeigersinn laufen, sonst müssen wir uns tausende Treppenstufen hochquälen (bin schon gespannt, ob das eine Übertreibung war). Sonst noch das Übliche: Sonnenschutz, Kleidung für alle Wetterlagen, ausreichend Wasser und Snacks. Neben der Wanderung empfiehlt uns der freundliche Herr hinter dem Tresen noch dies und jenes. Wir haben das Gefühl, er will uns eine weitere Nacht verkaufen. Wir bleiben hart.

Wir gehen zurück zum Zelt und packen die kleinen Rucksäcke für den Tag. Dann verschwindet jeder nochmal aufs Töpfchen und dann brausen wir los. Nach zehn Minuten Fahrt sind wir an besagtem Parkplatz. Dort schnüren wir uns die Wanderstiefel an die Füße und ab geht’s. Es ist ganz angenehm, nur einen kleinen Rucksack dabei zu haben, statt mindestens 15 Kilo, wie wir sie bisher auf den Wanderungen hatten. Wir hören auf den Mann aus dem Besucherzentrum und gehen erstmal rauf zur Aussicht über die Wineglass Bay. Da es aber auch hier nicht ganz ohne Treppenstufen geht, fragt Lulu immer wieder nach, ob ich mir sicher bin, dass wir richtig sind und ob wir immer noch in die richtige Richtung laufen. Die tausenden Stufen sollten ja schließlich nur kommen, wenn wir falsch herum laufen. Irgendwann bin ich so genervt, dass ich die Karte aus dem Rucksack pule, ihr in die Hand drücke und ihr vorschlage, dass sie navigiert, wenn es ihr dann besser geht. Danach ist erstmal beidseitige Stille.

Von oben hat man eine herrliche Aussicht. Warum die Bucht nun Wineglass Bay heißt, wissen wir nicht so recht. Liegt’s an der Form? Die Farbe kann es nicht sein, oder hat schon mal jemand leuchtend blauen Wein getrunken? Vielleicht hat ja jemand irgendwo Gläser verbuddelt? Wir werden es nicht aufklären können… Der Wind weht immer noch ordentlich, aber hier stehen wir im Windschatten von Mount Amos und kriegen davon nicht allzu viel mit. Die beiden Buchten, die wir von hier aus sehen – Wineglass Bay und Promise Bay – leuchten in ganz unterschiedlichen Blautönen. Dazu kommt noch die Lagune in der Mitte der Landzunge und schon sind wir bei drei Blautönen. Wir gehen weiter und jetzt kommt eindeutig der Teil mit den vielen Treppenstufen. Wir sind beide froh, dass wir sie nicht hochgehen müssen. Unterwegs weist uns ein Schild darauf hin, dass es ab jetzt anstrengend wird und es keine Toiletten mehr gibt. Gut, dass es seit dem Parkplatz auch keine gab. Laut meiner Karte sollen unten neben dem Strand welche sein. Warten wir mal ab. Uns kommen keuchende Leute entgegen. Wir sind jetzt so sehr im Windschatten, dass nicht mal mehr ein kleines Lüftchen weht. Es wird wirklich warm.

Das erste Schild, das wir unten sehen, sagt: „Toilette nach rechts, Strand nach links.“ Sehr gut. Wir gehen erstmal an den Strand. Ein weiteres Schild sagt uns, dass wir möglichst nur auf dem feuchten Sand in Wassernähe gehen sollen, da hier diverse Vögel nisten. Links im Schatten sehen wir etwas Känguru-artiges. Vermutlich ist es ein Wallaby, da es eindeutig nicht die zwei Meter Größe hat, die die einzigen richtigen Kängurus auf Tasmanien sonst erreichen. Trotzdem super cool. Am Strand hätten wir damit aber nicht gerechnet. Wir plumpsen in den Sand, zücken unseren Proviant und genießen das Schauspiel. Das Wallaby hoppelt von einem Seetanghaufen zum nächsten und wühlt ein bisschen darin herum. Es macht vermutlich auch gerade Pause von seiner anstrengenden Wanderung, hat aber die Snacks im Auto vergessen. Dann kommt ein kleines Mädchen des Wegs und rennt schnurstracks auf das Wallaby zu. Das Wallaby hoppelt weg, das Mädchen rennt hinterher, das Wallaby hoppelt weg, das Mädchen rennt hinterher, das Wallaby hat die Schnauze voll und flüchtet in den Wald. Schön, dass die Eltern so gut aufpassen, was ihr kleines Mädchen so treibt. Wir ziehen dann aber auch mal weiter.

Wir überqueren die Landzunge, die die beiden Buchten trennt, die wir von oben gesehen haben. Mittendrin befindet sich Hazards Lagoon, die zum Gucken einlädt. Sie erinnert mich ein bisschen an die Everglades, aber natürlich etwas kleiner. Ob es hier wohl Krokodile gibt? Bevor sich eins zeigt, gehen wir lieber weiter und erreichen bald Hazards Beach. Dort biegen wir rechts ab und sind damit ganz offiziell auf dem Rückweg zum Parkplatz. Zuerst führt der Weg am Strand entlang, dann geht’s in den Wald und die Klippen rauf. Jetzt kommt der Teil, der uns heute früh mit den Worten „fühlt sich länger als nötig an“ schmackhaft gemacht wurde. Nach einer Weile verstehen wir, was der Park Ranger gemeint haben könnte. Wir machen noch eine Pause im Halbschatten auf Steinen am Wegesrand. Danach ziehen wir durch und sind nach guten vier Stunden wieder am Ausgangspunkt.

Wir halten auf dem Rückweg mit dem Auto noch an der Honeymoon Bay. Eigentlich ganz hübsch, aber ist es wirklich das Must-See, als das es uns angepriesen wurde? Eher nicht… Wir sitzen auf den großen Felsen und blicken hinüber auf ein Stück des so unnötig langen Wanderweges. Von der Honeymoon Bay fahren wir rüber zum Cape Tourville Leuchtturm. Hier wartet ein kurzer, 20-minütiger Rundweg auf uns. Er bietet schöne Ausblicke auf das hintere Ende der Wineglass Bay. Außerdem gibt’s unterwegs Infotafeln und ein Fernglas, mit dem sich die vorgelagerten Felsen beobachten lassen. Das würde in Deutschland bestimmt Geld kosten, hier ist es aber kostenlos. Ich kann damit erkennen, dass auf den Felsen irgendwelche Tiere leben. Was da aber genau kreucht und fleucht, lässt sich nicht erkennen. Wir schließen die Schleife und fahren zurück zum Zelt.

Es ist bestes Wetter. Die Sonne scheint und der Wind ist auch kaum noch vorhanden. Wir holen den Kocher aus dem Auto und setzen uns fürs Abendbrot vors Zelt. Später verziehen wir uns aber wieder in unser Wohnzimmer und setzen uns mit dem Laptop an die Planung der nächsten Tage. Die Nacht wird relativ kühl. Als es schon fast wieder hell wird, ziehe auch ich mir noch eine Strickjacke und dicke Socken über.

05.03.

Das gute Wetter hält sich. Wir frühstücken im Sonnenschein vorm Zelt. Wir essen Cornflakes mit Milch aus unserem Topf, dazu Heißgetränke und jeder eins von den hartgekochten Eiern, die wir noch haben. Anschließend kümmern wir uns um den Abwasch, bauen das Zelt ab, packen unsere sieben Sachen und kurz vor 11 Uhr ziehen wir weiter.

Erster Stopp ist die East Coast Nature World. Wir kommen gerade rechtzeitig für die Fütterung der Tasmanischen Teufel an. Fast als hätten wir das so geplant… Der Ranger hält während der Fütterung einen Vortrag: Eigentlich sind Tasmanische Teufel Einzelgänger, kommen aber zum Fressen zusammen. Sie fressen alles auf, was da ist – vom Fell über Fleisch, Fett, Sehnen bis ganz runter auf die Knochen. Dabei sind sie eigentlich keine guten Jäger. Vor einiger Zeit sorgten sie in Tasmanien für ordentliche Straßenverhältnisse, indem sie alles ins Gebüsch zerrten und auffraßen, was überfahren wurde. Leider geht ihre Population stark zurück, weshalb so viel totes Getier am Straßenrand rumliegt. Während er erzählt, ist ein wildes Gerangel um das Wallabybein ausgebrochen, das ins Gehege geworfen wurde. Das ganze Rudel zerrt gleichzeitig daran rum und schnauft. Ein Grund für den starken Rückgang der Teufel ist die Devil Facial Tumor Disease, wobei es sich um eine seltene ansteckende Krebsart handelt. Einer aus dem Rudel konnte das Wallabybein endlich für sich erobern und verschwindet damit gleich im Hintergrund des Geheges. Hinter uns, in einem anderen Gehege, liegen die alten Damen in der Sonne.

Bei den Tasmanischen Teufeln startend streifen wir über das restliche Gelände und treffen auf ein Pärchen (Mutter und Kind?) von Eastern Grey Kangaroos bzw. Forrester Kangaroos, wie sie hier genannt werden. Ein Stück weiter gibt es ein Gehege mit Schlangen, wir finden aber nur eine. Hoffentlich sind die anderen nicht alle ausgebüxt. Im Gehege daneben entdecke ich ein Echidna. Ein drolliger Gesell, wie er so durch die Gegend watschelt. Lulu hat derweil Spaß mit dem Emu, der noch ein Gehege weiter wohnt. Das begehbare Gehege mit den Albino Wallabies ist als nächstes dran, wir gehen bei den Quolls vorbei und zu den Wombats, wo sich leider niemand blicken lässt. Wir streifen durch die begehbaren Gehege für die „normalen“ Wallabies und eins für Vögel. Dann waren wir in jeder Ecke der Nature World einmal. Die Eisauswahl am Kiosk ist nicht so besonders, deshalb fahren wir ohne Eis weiter zum Supermarkt in St. Helens. Nach dem Einkauf genehmigen wir uns Kaffee und Kuchen beim Bäcker nebenan.

Von St. Helens brauchen wir noch ca. 15 Minuten zu den Stränden der Bay of Fires. Wir fahren zur Cosy Corner, das klingt einladend. Dort starten wir unseren Strandspaziergang und klettern auf den Felsen umher, die teilweise von leuchtend-oranger Flechte überzogen sind. Man könnte meinen, die Flechte ist der Namensgeber für diese Landschaft, tatsächlich hat ein britischer Segler in der Vorbeifahrt im Jahre 1773 viele Feuer der tasmanischen Ureinwohner gesehen. Der Name passt, so oder so…

Nach Beendigung des Strandspaziergangs brauchen wir nochmal 45 Minuten mit dem Auto zu unserem heutigen Zeltplatz, dem Deep Creek Campground im südlichen Teil des Mount William Nationalparks. Wir haben einige Kilometer Schotterpiste zu bewältigen und ich bin dem Herrn bei Hertz wirklich dankbar, dass er mich in das Upgrade gequatscht hat. Allradantrieb fühlt sich ganz gut an bei diesen Straßenbedingungen. So macht das doch Spaß und bei mir kommen leichte Rallye-Gefühle auf. Die Sonne ist schon auf ihren letzten Metern vor dem Untergang. Es wird langsam Zeit, dass wir unser heutiges Tagesziel erreichen. Auf einen Wildunfall in der Dämmerung habe ich keine Lust.

Die Anmeldung beim Campingplatz erfolgt über einen Zettel, den wir zusammen mit etwas Geld in einen Umschlag stecken und den wiederum in eine Box werfen. Hier gibt es kein fließend Wasser und nur Plumpsklos, die schon mal bessere Zeiten hatten. Zum Abendbrot gibt es Stullen und Fertigsalat vom Supermarkt. Für Abwasser, z.B. vom Zähneputzen, funktionieren wir eine leere Saftflasche mit weitem Hals um. Etwas abenteuerlich, aber so müssen wir die Zahnputzreste und das Abwaschwasser nicht im Busch entsorgen.

06.03.

Wir kochen draußen die Heißgetränke, essen das Frühstück aber im Auto. Sachen packen, Zelt abbauen und schon geht’s weiter. Dabei sind wir immer den strengen, prüfenden Blicken eines Pademelons ausgesetzt. Wir fahren nicht weit und halten zuerst bei den Picnic Rocks und dann nochmal ein kleines Stückchen weiter beim Eddystone Point Lighthouse. Wir laufen die Runde zu Fuß vom Parkplatz bis zum Leuchtturm und kraxeln anschließend über die Felsen am Ufer, um den Leuchtturm auch von unten zu sehen.

Nach zwei Stunden Fahrt erreichen wir die Batman Bridge, die allerdings nichts mit DEM Batman zu tun hat. Ein architektonisches Meisterwerk ist sie leider auch nicht gerade. Es reicht aber, um drüber zu fahren. Kurz danach erreichen wir das Platypus House. Ein Besuch ist nur mit gebuchter Führung möglich, die nächste, die in zehn Minuten starten würde, ist leider schon ausgebucht. So müssen wir noch eine Stunde warten. Wir nutzen die Zeit, um ein wenig am Pier auf und ab zu laufen und gönnen uns einen Muffin und ein Heißgetränk im Imbiss des Platypus House. So kriegen wir die Zeit rum, bis die Führung startet.

Zuerst gibt es ein paar einleitende Worte: Schnabeltiermännchen haben einen Giftsporn an den Hinterbeinen (wen wundert’s in Australien?). Weibchen theoretisch auch, aber die Giftdrüse ist über Generationen immer weiter verkümmert, sodass eigentlich nur noch die Männchen giftig sind. Netterweise setzt das Gift der Schnabeltiere an einer Stelle im menschlichen Nervensystem an, wo kein Schmerzmittel hilft. Einige Touristen, die Schnabeltiere für Fotos hochheben, müssen hinterher wochen- bis monatelang mit einer sehr schmerzhaften Ballonhand leben, da das Gift auch für starke Schwellungen sorgt. Wenn gerade keine dummen Touristen in der Nähe sind, nutzen die Männchen ihren Giftsporn, um andere Männchen aus ihrem Revier zu vertreiben, denn ein Männchen hat Anspruch auf alle Weibchen im Revier. Die Weibchen hingegen lassen sich nur auf den ein, der gerade im Revier das Sagen hat. Wir besuchen zuerst das Männchen des Platypus Houses – Jupiter. Er wühlt mit seinem Schnabel auf dem Grund des Aquariums umher auf der Suche nach etwas Essbarem. Schnabeltiere sind kleiner, als ich immer dachte. In meinem Kopf waren sie ungefähr katzengroß. In Wirklichkeit liegen sie eher bei Stockenten. Jupiter hat freien Zugang zu den Gehegen der Weibchen, bleibt im Moment aber Dawn treu. Bisher gingen leider alle Paarungsversuche im Platypus House ohne Nachwuchs aus. Unser nächster Stopp sind die vier Weibchen. Schnabeltiere ernähren sich von diversen Kleintieren. Hier werden sie z.B. mit Würmern und Maden gefüttert. Sie haben ein Sinnesorgan, mit dem sie elektrische Felder wahrnehmen können, die durch Muskelkontraktionen entstehen und finden darüber ihre Beute. Sie legen zwar Eier, sind aber Säugetiere, haben jedoch keine Zitzen, sondern die Muttermilch diffundiert einfach durch einen Flecken Haut. Wer hat diese Spezies eigentlich im Restelager zusammengebastelt?

Als nächstes gibt’s eine Belehrung, wie wir uns bei den Echidnas zu verhalten haben. Dann dürfen wir ins Echidna-Zimmer. Drei von ihnen laufen frei durch den Raum. Ein paar Stücke Baumrinde werden mit Insektenbrei bestrichen und im Raum verteilt. Die drolligen Kerlchen kennen das Spiel wohl schon und jeder sucht sich ein Stück Borke, das er mit seiner langen Zunge abschlecken kann. Zum Schluss wird noch der Edelstahlnapf der Pflegerin ausgeleckt. Je nachdem, aus welcher Ecke Australiens sie kommen, sehen sie leicht anders aus: heller, dunkler oder auch mal deutlich flauschiger. Sie bilden zusammen mit den Schnabeltieren die Gattung der Kloakentiere, sind also eng miteinander verwandt und sind ebenfalls eierlegende Säugetiere. Mittendrin ist natürlich die Speicherkarte der Kamera voll. Schnell ein paar ältere Fotos löschen und weiter geht die Knipserei. Angeblich sind Echidnas in Australien ständig überall. In freier Wildbahn haben wir noch keine gesehen. Dann müssen wir wohl in den kommenden Wochen besser aufpassen.

Nach einer kurzen Fahrt erreichen wir den Holiday Park in Kelso. Die nette Dame, die noch an der Rezeption sitzt, hatte schon einen Briefumschlag für uns fertiggemacht, falls wir erst nach 17 Uhr ankommen sollten. Es folgt eine kurze Einweisung in den Platz, dann dürfen wir uns einfach irgendwo einen Platz aussuchen, da wir heute die einzigen Gäste mit Zelt sind. Wir suchen uns einen Platz mit Ameisenstraße, suchen einen anderen Platz und stellen das Zelt auf. Wir legen erstmal die Beine hoch. Ich lösche noch weitere alte Bilder von der Speicherkarte. Lulu geht unterdessen duschen. Als sie wieder auftaucht, gehen wir noch eine Runde runter an den Fluss (Kanamaluka/River Tamar) und dort am Ufer entlang. Bei unserer Rückkehr hoppeln die ersten Pademelons über die Wiesen. Wir gehen zum Kochen des Abendbrots in die Zeltplatzküche. Es gibt Kartoffeln mit Butter und/oder Sour Cream. Aus Mangel an Geschirr essen wir aus den Tortilla-Schiffchen, die wir gekauft haben. Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden und auf den Wiesen tummeln sich die Parmelons. Von den Wombats, von denen auf allen Schildern hier steht, dass man sie schützen soll, ist leider niemand zu sehen. Schade. Später kommt Lulu zum Zähneputzen mit aufs Herrenklo, ist ja sonst keiner da. Auf dem Rückweg bemerken wir, dass Possums im Müllcontainer rumrandalieren. Das ruft nach Ohropax für die Nacht.

07.03.

Wir frühstücken in der Zeltplatzküche. Auf dem Weg dahin kommen wir am Müllcontainer vorbei und werfen einen Blick hinein: Da liegen mindestens vier Possums und erholen sich von der nächtlichen Party. Während das Wasser für Tee und Kaffee kocht, flitze ich mal rüber zur Rezeption, um wegen der Possums Bescheid zu geben. Anscheinend sind die öfter da drin. Normalerweise gibt es auch eine Holzplanke, über die sie wieder rausklettern können. Gestern war aber Müllabfuhr, weshalb die Planken rausgenommen wurden. Die Zeltplatzdame kümmert sich später darum. Nach dieser guten Tat erstmal mit Cornflakes, Käse-Schinken-Brötchen und einer Birne für den Tag stärken. Zum Zähneputzen geht, im Gegensatz zu gestern Abend, jeder ganz brav in sein eigenes Kabuff. Dann heißt es Sachen packen, Zelt abbauen und ab zum Narawntapu Nationalpark.

Wir brauchen etwa 45 Minuten, davon führen uns 40 Minuten über Schotterstraßen. Ich bin mal wieder froh, dass wir uns das Upgrade aufschwatzen lassen haben. Der erste Stopp ist das Besucherzentrum, um zu erfragen, auf welchem der vier Zeltplätze wir am besten unser Zelt aufschlagen. Dafür bezahlen wir dann auch gleich und lassen uns noch die Wanderoptionen erklären. Der beste Platz für uns wäre am anderen Ende des Nationalparks in etwa viereinhalb Kilometern Entfernung, die Wanderwege starten alle hier. Einmal rüberdüsen und das Zelt aufstellen, was unser Äquivalent zum klassischen deutschen Handtuch auf der Poolliege ist. Dann packen wir ein paar Snacks ein und cremen uns mit Sonnencreme ein (teils widerwillig) und fahren wieder zurück zum Besucherzentrum.

Wir starten den Archer’s Knob Walk. Wir laufen auf einem schmalen Weg, direkt hinter der Düne, immer Richtung Osten. Links und rechts des Weges ist lauter Gestrüpp, in das ich immer mal wieder vorsichtig blicke, da überall Schilder stehen, die vor Schlangen warnen. Von denen lässt sich keine blicken. Aber immer wieder entdecken wir Pademelons in den Büschen. Nach guten 15 Minuten erreichen wir das Vogelbeobachtungshäuschen, das über eine Lagune blickt. Von den ganzen erwähnten Vögeln, die sich hier entdecken lassen, sehen wir keinen. Vielleicht ist die falsche Jahreszeit. Dafür dösen auf der anderen Seite der Lagune Kängurus in der Sonne. Wir gehen weiter zum Archer’s Knob. Dabei handelt es sich um einen Hügel, von dem man gut zurückblicken kann in Richtung Lagune, weiter zum Besucherzentrum und am Horizont unseren Zeltplatz. Wir nutzen den Ausblick für eine Pause mit Quetschies, Riegeln und Wasser.

Wir treten den Rückweg an. An einer Kreuzung müssen wir uns entscheiden zwischen dem Weg, den wir gekommen sind, dem Strand und der Lagune. Die Entscheidung fällt relativ schnell und einfach für die Lagune. Links rum und als wir aus dem Gebüsch raus sind, endet auch der Weg. Laut Ranger sollen wir uns einfach immer an der Lagune orientieren. Außerdem ist das Besucherzentrum die ganze Zeit über sichtbar und lässt sich nicht verfehlen. Ein paar Kängurus dösen in der Sonne, andere im spärlich gesäten Schatten. Wieder ein paar andere stehen oder hoppeln in der Gegend rum. Wir sind mitten drin, freuen uns darüber und hoffen, dass wir keines der Kängurus stören oder aus Versehen in einen Boxkampf geraten. Wir durchqueren dieses kleine Stück Savanne und sind bald wieder am Besucherzentrum, von wo wir zurück zum Zelt fahren.

Wir dösen auch erstmal eine Weile im Zelt und stärken uns mit Keksen. Dann aber raffen wir uns nochmal für einen Strandspaziergang auf. Eigentlich soll hier ein Rochen- und Haischutzgebiet sein. Leider sehen wir weder die einen noch die anderen. Dafür finden wir am Strand komische Blobs. Wir fassen die lieber nicht an, vermutlich würden sie uns töten. Wir sind ja schließlich in Australien. Etwas vor der Küste liegen zwei Inseln namens Penguin Islands, allerdings ist dort von Pinguinen nix zu sehen.

Zurück am Zelt fangen wir an zu kochen. Es gibt Nudeln mit Pesto. Mittendrin fällt uns auf, dass wir nichts haben, um das Nudelwasser zu entsorgen. Ich schnappe mir unsere kleine Poop-Schaufel, hebe ein kleines Loch aus und entsorge das Wasser darin. #leavenotrace wäre vermutlich traurig… Wir essen im Auto und lassen dort auch den Abend ausklingen. Zähneputzen findet heute vor dem kleinen Klohüttchen unter dem Sternenhimmel statt.

08.03.

Der Wecker klingelt heute schon um 7 Uhr, damit wir früh wegkommen. Also schnelles Frühstück, Sachen packen, Zelt abbauen und aufsitzen. Erster Stopp ist eine Tankstelle in Deloraine, wo ich auch mal die wichtigsten Scheiben des Autos von krustigem Staub befreie. Es folgt ein Supermarkt, in dem wir mal wieder eine Stunde zubringen. Wie schaffen wir das nur immer wieder?

Wir wollen Schnabeltiere in freier Wildbahn sehen und haben im Reiseführer gelesen, dass in den örtlichen Gewässern von Mole Creek welche leben sollen. Dummerweise sind die meisten Gewässer von privatem Grund und Boden umgeben, sodass wir leider kein Glück haben. Die Touristen-Information ist auch wegen Krankheit geschlossen. Kurz vorm Ortsausgang überqueren wir eine Brücke und wo Brücken sind, sind oft auch Gewässer. Also schnell am Straßenrand geparkt und geguckt. Aber leider immer noch kein Glück. Ein Einheimischer ruft uns aus dem Vorgarten zu. „Schöne Landschaft, oder?“ „Ja, aber wir suchen eigentlich nach Schnabeltieren. Wo finden wir die?“ „Ach, die sind eigentlich überall. Außerdem gibt’s dahinten noch eine Höhle und da drüben noch einen Gipfel. Da fahren die Touristen alle hin.“ Ob die beiden Orte mit Schnabeltieren zu tun haben, bleibt uns schleierhaft. „Wir kommen von Narawntapu und wollen weiter nach Cradle Mountain.“ „Da ist es auch schön. Dann viel Spaß und gute Fahrt euch.“ Kurz hinter dem Ortsausgangsschild sehen wir etwas abseits der Hauptstraße noch eine Brücke an einem Feldweg. Ich mache einen kleinen Abstecher, aber auch hier bleiben wir glücklos.

Wir fahren weiter nach Cradle Mountain. Wir suchen zuerst das Besucherzentrum auf. Wir müssen das Auto hier stehen lassen und für den restlichen Weg den Shuttle-Bus nehmen, für den wir natürlich ein Ticket kaufen. Dann wollen wir mal schnell den Rucksack mit allem bestücken, was wir für eine Tageswanderung brauchen, schnüren uns die Wanderstiefel an die Füße und sitzen auf.

Kurz vor der Endstation – Dove Lake – schlängelt eine Schlange über die Straße. Das ist unsere erste, abgesehen von der in der Nature World. Lulu kriegt einen Anruf von einer komischen Nummer. Telefonbetrug? Nein, es sind die Betreiber vom Kanuverleih. Die Tour morgen muss leider aufgrund des Wetters ausfallen. Derweil treten wir heute bei bestem Wetter die Umrundung des Dove Lake an. Cradle Mountain ist glasklar hinter dem See zu erkennen. Ein Schild fordert dazu auf, festes Schuhwerk zu tragen. Da sind wir natürlich bestens aufgestellt, aber wir treffen unterwegs auch viele Leute in Flip-Flops oder Crocs. Die haben vermutlich die Schilder nicht gesehen. Eigentlich ist der Weg auch super ausgebaut, sodass zumindest keine Wanderstiefel nötig wären. Unterwegs sehen wir auch wieder einige Klobürstenbäume und diverse Palmen. Der Dove Lake hat oranges bis braunes Wasser, weil Pflanzen in dem See nicht einfach zerfallen, sondern Torf ansetzen. Auf dem Rückweg kreischt Lulu einmal weibisch auf und macht drei große Hopser vorwärts. Ich mache derweil ein, zwei männliche Schritte rückwärts und sehe die Schlange, in die Lulu soeben fast getreten wäre, am linken Wegesrand im Gebüsch verschwinden. Das war nun also unsere zweite Schlange, und beide an einem Tag. Sowas… Der Rest der Wanderung verläuft dann aber ohne nennenswerte Vorkommnisse.

Mit dem Bus fahren wir eine Station zurück nach Ronny Creek. Hier soll es am späten Nachmittag Wombats auf den Wiesen zu sehen geben. Wenn wir wieder so ein Glück haben wie mit den Schnabeltieren… Wir müssen nicht weit gehen und finden die ersten Spuren, die auf Wombats hindeuten: Würfelförmige Häufchen. Etwas weiter finden wir dann auch einige der Urheber, in einiger Entfernung, oben auf einem Hügel. Wir gehen auf dem beplankten Weg noch ein Stückchen weiter und da steht nur ein paar Meter vom Weg entfernt ein Wombat vor seinem Bau. So lässt sich auch die Verwandtschaft zu den Koalas im Gesicht erkennen. Ich will noch ein Stückchen weiter, Lulu fragt, ob ich wirklich glaube, dass es noch besser wird. Ein Stückchen weiter den Weg runter wird es dann noch besser. Direkt neben dem Weg döst ein Wombat in der Sonne. Wir gucken und staunen eine ganze Weile, bis irgendein Honk dazukommt, ganz dicht rangeht, das Wombat damit weckt und es sich langsam verdrückt. Dann treten wir auch mal den Rückweg in Richtung Bushaltestelle an und auch unterwegs sind hin und wieder links und rechts des Weges Wombats zu sehen. Sie sind übrigens Beuteltiere. Damit aber der Nachwuchs beim Höhlebuddeln nicht ständig Dreck ins Gesicht bekommt, zeigt die Beutelöffnung nach hinten. Kurz vor der Bushaltestelle ist nochmal ein Wombat ganz dicht am Weg. Natürlich muss jemand für Selfies den Weg verlassen und natürlich ist dieser Jemand eine Asiatin. Man möchte keine Vorurteile haben, aber leider bestätigen sie sich immer wieder (OK, die Amis sind auch immer wieder ganz vorne mit dabei…). Das Wombat flüchtet. Solchen Leuten wünscht man doch, dass ihnen sonntags nur noch harte Frühstückseier gelingen…

Mit dem Bus fahren wir zurück zum Besucherzentrum, satteln das Auto und fahren einmal auf die andere Straßenseite auf den Campingplatz. Die Rezeption soll bis 17:30 Uhr besetzt sein, es ist noch nicht mal 17:35 Uhr und niemand ist mehr zu sehen. Dafür finden wir einen Briefumschlag für unseren Late Check-in und suchen unseren Stellplatz auf. Der ist ein bisschen eng mit einem Auto und unserem kleinen Zelt und der Boden ist mal wieder steinhart. Wir ballern die Heringe mit Hilfe von Steinen in den Boden.

Die Duschen sind nicht nur vorhanden, sondern auch noch ganz fantastisch. Zum Abendbrot begeben wir uns in die Gemeinschaftsküche. Es gibt Kartoffeln mit indischer Fertigsoße. Auf einem großen Fernseher läuft Australian Football. Wir verstehen das Spiel nicht so recht. Die Werbung ist allerdings faszinierend-anders als in Deutschland. Aufgrund der Kanu-Absage für morgen planen wir die nächsten beiden Tage um.

09.03.

Der Tag startet neblig oder mit sehr feinem Nieselregen. So ganz genau lässt sich das nicht sagen. Der Wald, in dem wir stehen, ist jedenfalls sehr atmosphärisch in Dunst gehüllt. Am besten frühstücken wir erstmal in der Gemeinschaftsküche. Dabei verfeinern wir noch ein bisschen die Pläne für die kommenden Tage. Anschließend Sachen packen und das Zelt abbauen. Lulu ist ein bisschen bockig, weil sie am liebsten direkt das Zelt abgebaut hätte und weil ich bei der Planung nicht sonderlich hilfreich war. Wir müssen auf unserem Weg raus nochmal an der Rezeption stoppen. Die brauchen noch eine Unterschrift zu unserem gestrigen Check-in. So können wir aber auch gleich auschecken, praktisch…

Wir überqueren einmal mit dem Auto die „große“ Straße und stellen es wieder am Besucherzentrum ab. Von dort fahren wir eine Station mit dem Nationalparkshuttlebus. Das Ticket von gestern gilt auch heute noch. Vom ersten Stopp gehen einige kurze Wanderschleifen ab. Das Wetter ist immer noch grau, aber nicht mehr ganz so feucht. Von dem Sturm, der unsere Kanutour verhindert, ist hier nichts zu merken (und das wird auch noch den ganzen Tag so bleiben). Wir sehen hier ein paar Wasserfälle im Wald. Einer der Wege ist auch komplett barrierefrei ausgebaut. Am Wendepunkt des Enchanted Walk stehen wir Arm in Arm auf einer Brücke. Als wir gerade weitergehen wollen, kommt ein älterer Herr um die Ecke. „Ihr könnt ruhig weiterkuscheln. Ist ja immerhin die Verzauberte Wanderung.“ Na gut, tun wir ihm den Gefallen, bleiben noch ein bisschen stehen und gucken den Fluss runter. Unterwegs sehen wir noch ein paar würfelförmige Häufchen und große Löcher in der Erde, aber leider keine weiteren Wombats. Als wir der Meinung sind, genug gelaufen zu sein, fahren wir mit dem Bus zurück zum Besucherzentrum.

Am Besucherzentrum stärken wir uns erstmal im Café, auch wenn die Preise ganz schön happig sind. Es gibt zwei heiße Getränke, Spinat-Feta-Blätterteigrolle und Turkish Bread with Chicken (was auch immer das genau heißen mag). Lulu kriegt ihre Spinatrolle direkt in die Hand und sucht schon mal einen Tisch für uns. Ich warte weiter auf die Getränke und mein türkisches Brot. Ich werde gefragt, ob ich Ketchup möchte. „Klar, wieso nicht.“ Daraufhin werden mir eine Spinatrolle, ein Päckchen Ketchup und die Getränke in die Hand gedrückt. Ich versuche, die Dame hinter dem Tresen auf ihren Fehler aufmerksam zu machen – nicht sonderlich erfolgreich. „Braucht noch einen klitzkleinen Moment…“ Dann hüpft sie zum Toaster, holt mein türkisches Brot heraus, drückt es mir auch noch in die Hand und wünscht einen guten Appetit. Wenn man mir nicht zuhören will, dann eben nicht. Mit der Bonus-Spinatrolle ist der Preis wieder etwas erträglicher.

Wir fahren nach Waratah, wo es einen günstigen Campingplatz geben soll. Der entpuppt sich als Wiese am Dorfteich. Dazu ein paar öffentliche Toiletten, ein Container mit einer Dusche und einem Raum zum Wäschewaschen sowie zwei kleine Hüttchen – et voilá, fertig ist der Campingplatz. Es gibt auch einige wenige Plätze mit Stromanschluss für Wohnmobile, aber die sind erstens schon alle belegt und zweitens für uns uninteressant. Wir parken erstmal zwischen den anderen Campern ein. „Hallo, wo kann man sich hier anmelden?“ „Da drüben im Dorfmuseum. Da sitzt eine Dame, die erklärt euch alles.“ „Danke.“ Die Dame auf der anderen Seite von unserem Auto fühlt sich anscheinend um ihren Van-Vorplatz beraubt. „Sicher, dass ihr hier stehen bleiben wollt? Ist doch schon ganz schön eng hier, oder? Und wo wollt ihr schlafen? Doch nicht etwa in eurem Auto…“ „Wir haben ein Zelt dabei…“ „Ein Zelt? Wo wollt ihr das denn noch hinstellen???“ „Ganz entspannt. Wir melden uns erstmal an und dann sehen wir weiter.“ Die eigentliche Anmeldung läuft dann auch recht unkompliziert. Allerdings haben wir vermutlich eine Preisklasse zu hoch bezahlt und Dinge bezahlt, die wir vermutlich nicht nutzen werden. Egal, die fünf australischen Dollar haben wir dann auch noch.

Wir fahren hinten um das Museumsgebäude herum auf eine zweite, größere Wiese. Dort suchen wir uns ein schönes, schattiges Plätzchen in der Nähe des Dorfteiches, der eigentlich ein Fluss ist und hier aufgestaut wird. Auch hier soll es Schnabeltiere in freier Wildbahn geben. Mal sehen, ob wir heute Glück haben. Erstmal gehen wir zum Dorfkonsum/Burgerladen/Tankstelle und besorgen uns kühle Getränke und jeder ein Eis. Damit bewaffnet drehen wir eine Runde um den „Teich“. „Was ist das denn für eine komische Ente?“ Wir haben Glück, das ist gar keine Ente, sondern tatsächlich ein Schnabeltier in freier Wildbahn. Ich freu mich wie Bolle und gucke ihm hinterher, bis es nur noch ein kleiner Punkt im Wasser ist. Wir gehen nochmal kurz ans Auto und dann überqueren wir die Dorfstraße. Dort soll es eine Schlucht mit einem Wasserfall geben. Als wir die Schlucht sehen, bleibt uns kurz die Sprache weg. Die ist deutlich tiefer als erwartet, dafür, dass direkt daneben Dorf ist. Wir gehen hinunter und besichtigen den Wasserfall.

Zurück am Zelt beobachten wir das Schnabeltier (oder sind es sogar mehrere?) im „Teich“ noch für eine Weile. Dann telefonieren wir abwechselnd mit der Heimat und ich siebe noch ein paar Bilder von der Kamera durch. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit gehen wir nochmal zum Ufer. Aber bei den Lichtverhältnissen ist es schwer zu sagen, ob man wirklich gerade ein Schnabeltier, eine Ente oder was ganz anderes sieht. Ein paar andere Leute haben anscheinend weniger Glück gehabt als wir. „Habt ihr schon eins gesehen?“ „Ja, vorhin, als es noch richtig hell war.“ Als es dann endgültig dunkel ist, begeben wir uns zum Abendessen in unser Wohnzimmer. Die Nacht wird etwas komisch. Zuerst sitzt (mutmaßlich) ein Possum direkt im Baum über uns und macht Rabatz und später kommt noch ein streunender Hund vorbei und keucht um unser Zelt herum.

10.03.

Der Wecker klingelt schon um 6:15 Uhr. Wir lauschen dem Kookaburra-Konzert im Morgengrauen, während wir schnell alles zusammenpacken. Dann gönnen wir uns ein kleines Frühstück und brechen auf in Richtung Corinna. Eigentlich wollte Lulu fahren. Ich habe es ihr wieder ausgeredet. In den frühen Morgenstunden soll es besonders viel Wild geben. Die Sonne ist vor 30 Minuten aufgegangen und unsere Straße führt nur durch Wald. Trotzdem war das unnötig, wie sich herausstellt, denn wir sehen kein einziges Tier auf unserem Weg nach Corinna, abgesehen von ein paar Vögeln.

Hier gibt’s ein paar Häuschen und eine Fähre auf die andere Flussseite. Wir müssen zur Corinna Wilderness Experience, was Hotel, Dorfkonsum, Tankstelle, Pub und Tourenanbieter in einem ist. Wir melden uns an, kriegen eine kleine Einweisung in den richtigen Umgang mit Kayaks und dann dürfen wir auch schon auf den Pieman River und lospaddeln. In dreieinhalb Stunden müssen wir wieder hier sein, dann kommt die Nachmittagsschicht.

Wir paddeln also erstmal 50 Minuten flussabwärts. Der Fluss ist spiegelglatt und wirkt ein bisschen, als ob er auch mal von der Mündung zur Quelle fließen könnte. Da fühle ich mich gleich ein bisschen wie zu Hause1. Wir erreichen den Anleger für den Weg zu den Lover’s Falls. Der Ausstieg ist ein bisschen kompliziert und schlüpfrig. Wir haben eine 20-minütige Wanderung in Sandalen vor uns. Nach knappen 5 Minuten haben wir den Wasserfall schon erreicht. Haben wir die Karte falsch verstanden? Der Wasserfall ist nicht der üppigste, aber trotzdem sehr hübsch. Nachdem wir genug geguckt und fotografiert haben, gehen wir wieder den langen und anstrengenden Weg zurück zum Kayak. Ein älterer Herr aus einer anderen Paddelgruppe fragt, ob Lulu reingefallen ist. Nein, sie ist einfach nur platschnass, weil Kayakpaddel ihre Endgegner sind. Das ist alles.

Auf dem Rückweg entdecken wir zu unserer Rechten eine Garnitur Gartenmöbel. Wer hat die hier mitten im Regenwald platziert? Es gibt immer mal wieder kleine Regenschauer. So weit das Auge reicht, gibt es nur Hügel, Berge und Regenwald. Wir biegen nach links in einen Seitenarm ab. Ganz schön eng hier und es liegen Bäume über den Fluss. Wir wenden und fahren wieder zurück auf den Pieman River. Im zweiten Seitenarm unserer Route liegt ein Wrack eines alten Dampfschiffes. Keine Ahnung, warum es hier gesunken ist oder warum es komplett zerstört ist, aber wer hier mit einem Dampfschiff reinfährt, legt es vermutlich darauf an, es zu versenken. Da es gerade mal wieder angefangen hat zu regnen, halten wir uns hier nicht allzu lange auf, sondern fahren wieder zurück zum Ausgangspunkt. Eigentlich hätten wir noch eine Stunde Zeit. Paddeln wir noch ein bisschen weiter in die andere Richtung oder geben wir einfach früher ab? Wir entscheiden uns für die zweite Variante.

Erstmal im Pub stärken mit einem Scone mit Spinat, Zwiebeln und Pilzen. Dazu ein Käffchen und eine heiße Schokolade. Dann brechen wir auf, d.h. wir wollen aufbrechen, parken aus und stellen uns für die kleine Fähre an, die hier die einzige Möglichkeit ist, den Pieman River zu überqueren. Die haben das Prinzip von Angebot und Nachfrage anscheinend verstanden und nehmen für die paar Minuten Überfahrt 28 AUD. Danach geht es im Regen weiter auf einer unbefestigten Straße durch den Wald. Hin und wieder gibt es mal ganz hübsche Ausblicke. Aber außer den paar wenigen kleinen Orten gibt es hier nix als Wald. Der Reiseführer hatte also Recht, als er sagte, dass das hier die wilde Seite Tasmaniens ist. Unser Ziel in etwa dreineinhalb Stunden ist Lake St. Clair und damit die südliche Seite des Cradle Mountain – Lake St. Clair Nationalparks. Lulu döst immer wieder mal unterwegs.

Als wir aussteigen, stehen wir mitten in einem Erkältungsbad, zumindest riecht es so. Schuld daran sind vermutlich die Eukalyptusbäume und die regnerisch-neblig-feuchte Witterung. Der Zeltplatz liegt direkt neben dem Besucherzentrum und gehört zur Lake St. Clair Lodge. Das spiegelt sich auch im Preis wider, jedoch nicht in der Freundlichkeit der Rezeptionsdame. Die wirkt ein bisschen genervt davon, dass sie sich jetzt um Besucher kümmern muss. Die Kuchen in der Vitrine des Cafés sehen echt gut aus. Die Preisschilder leider auch. Wir teilen uns ein Blaubeer-Törtchen, bevor wir die Rezeptionistin noch ein bisschen mit Fragen nerven. Danach gehen wir noch schnell rüber ins Besucherzentrum, bevor sie für heute schließen. Es gibt ein paar kleinere Runden, die wir hier wandern könnten, und es bestehen durchaus Chancen auf Schnabeltiersichtungen.

In einer Regenpause stellen wir unser Zelt auf. Ich finde es immer noch völlig irre, dass die ganze Gegend nach Erkältungsbad riecht. Nachdem das Zelt steht (und es wieder nieselt), dösen wir ein bisschen im Auto. Das Handy zeigt zwei Balken 4G-Empfang an, eine Kommunikation mit der Außenwelt klappt trotzdem nicht. Irgendwann beschleicht uns der Verdacht, dass wir heute nicht mehr wandern werden. Das werden wir morgen früh vor der Abreise nachholen, behaupten wir zumindest erstmal, weil es ganz gut klingt. Zum Abendessen gehen wir ins Café. Auf dem Weg fällt uns ein Schild ins Auge: „Schlangen sind aktiv in diesem Gebiet.“ Für den dummen Touristen stellt sich nun die Frage, wie groß ist dieses Gebiet gemeint? Ist das nur der Busch hinter dem Schild? Der gesamte Zeltplatz? Der gesamte Nationalpark? Wir hoffen einfach, dass es im Café keine Schlangen gibt und gehen dahin. Es gibt Burger mit Bier und Pizza mit Wein. Außerdem gibt es hier WLAN mit fließend Internet. Das nutzen wir nach dem Essen noch ein bisschen aus und bleiben noch auf ein weiteres Bier und einen weiteren Wein. Es soll heute Nacht zeitweise Schauer geben. Wir lassen den Abend im Zelt ausklingen. Das Wetter hält sich dummerweise nicht an den Bericht und es nieselt und regnet pausenlos, sodass sich unter unserem Zelt ein kleiner Bach bildet. Gegen 22:30 Uhr gehe ich mit Poop-Schaufel und Stirnlampe bewaffnet nochmal raus und ziehe einen kleinen Burggraben (eher eine Burgrinne), um das Wasser umzuleiten. Die restliche Nacht wird auch unruhig. Neben dem Wetter gibt’s noch Possumschreie und laute Nachbarn.

11.03.

Es ist immer noch grau und nass. Wir bauen das Zelt lieber gleich nass ab, bevor noch richtiger Regen vorbeikommt. Anschließend gehen wir zum Frühstück in die Camper-Hütte: Brot, Cornflakes und Kaffee oder Tee.

Wir checken aus dem Campingplatz aus und parken am Besucherzentrum. Von hier starten wir unsere kleine Wanderung zur Platypus Bay bei wechselhaftem Wetter. Wir haben aber Pech und sehen keine Schnabeltiere. Entweder ist es die falsche Uhrzeit, das falsche Wetter oder die laut hustende ältere Dame neben uns – irgendwas hält die Schnabeltiere fern. Auf dem Rückweg zum Parkplatz wird es deutlich wärmer und es kommt fast sowas wie Sonnenschein durch die Wolken. Am Besucherzentrum schnorren wir nochmal Internet und starten auch gleich die Navigation zum Mount Field Nationalpark.

Für die große Runde, die etwa zwei bis drei Stunden dauert, sind wir leider etwas zu spät dran. Dann wird es eben nur die kleine 45-Minuten-Runde zu den Russell Falls und Horseshoe Falls. Der Weg führt durch dichten Wald mit riesigen Farnen und anderen ziemlich großen Bäumen. Dabei sind wir nicht mal auf dem Tall Trees Walk, den es hier auch gegeben hätte. Hier im Wald ist es wieder recht kühl. Das Wetter kann sich irgendwie nicht entscheiden. Wir gehen an den Russell Falls vorbei zu den Horseshoe Falls. Auf dem Weg nach oben wird es immer wärmer. Sie sind ganz hübsch, aber wir finden leider das namensgebende Hufeisen nicht. Oder doch? Muss man schon wissen, dass es ein Hufeisen sein soll, um es erkennen zu können. Wir gehen wieder runter zu den Russell Falls. Die sind deutlich beeindruckender und fallen in mehreren Stufen zu uns hinunter. Wir gucken eine Weile und gehen zurück zum Ausgangspunkt. Am Besucherzentrum besorgen wir uns ein Käffchen und knabbern Kekse am Auto.

In Hobart kaufen wir für unsere letzten drei Tage in Tasmanien ein. Die letzten drei, dann geht’s schon rüber aufs Festland. Wild… So vernünftig haben wir schon lange nicht mehr eingekauft. Tanken ist auch mal wieder eine gute Idee. Zumal wir unsere letzten Tage in Tasmanien auf Bruny Island verbringen werden, wo das Tanken etwas schwieriger oder zumindest teurer ist als hier. Abendbrot besorgen wir uns bei KFC. Es ist etwas anders als in Deutschland, sagt Lulu, und nicht gerade zum Vorteil des australischen KFCs. Wie dem auch sei, das Super Value Meal ist ganz schön viel.

Am Zeltplatz liegt mal wieder der Late Check-in-Umschlag für uns bereit und wir suchen uns einen Platz auf der Zeltwiese ohne Strom. Hier liegt plötzlich wieder Salz statt Erkältungsbad in der Luft – große Überraschung an der Küste. Wir stellen unser nasses Zelt auf. Bei dem zwar trockenen aber grauen Wetter trocknet es so kurz vor Sonnenuntergang aber nicht mehr. So dachte ich zumindest. Ich habe jedoch nicht mit dem Nordwind gerechnet, der dafür sorgt, dass es um 23:30 Uhr nochmal wärmer wird, als es den ganzen vorangegangenen Tag war. Das Zelt ist halbwegs trocken, als wir uns für die Nacht einmummeln. Da fängt es wieder zu tröpfeln an. Danke, Wetter.

12.03.

Um 8 Uhr klingelt heute der Wecker. Lulu wundert sich, dass morgens ihr Hintern auf dem Boden hängt. Sie hatte die Ventilkappe ihrer Matratze nicht geschlossen. Hoffen wir mal, dass es daran liegt. Beim Abbauen ist das Zelt deutlich trockener als gestern. Hinterher noch frühstücken. Um 9 Uhr kommt eine Erinnerungs-SMS vom Zeltplatz, dass wir in einer Stunde runter sein müssen. Das passt ganz gut, da wir sowieso die Fähre um 10:30 Uhr nach Bruny Island erwischen wollen und noch 20 Minuten Fahrt vor uns haben.

Wir sind das letzte Auto, das noch auf die Fähre darf. Hinter uns gehen die Schranken runter. Glück gehabt, sonst hätten wir nochmal 20 Minuten warten müssen. Ebendiese 20 Minuten dauert auch die Überfahrt in den Norden von Bruny Island. Der soll nicht so interessant sein wie der südliche Teil. Deswegen ist unser erster Stopp The Neck, der den Nord- mit dem Südteil verbindet. Lulu muss natürlich damit angeben, dass sie unterwegs ein Echidna am Straßenrand gesehen hat, während ich mich auf den Verkehr konzentrieren musste. Na toll…

Wir beginnen mit dem kurzen Aufstieg zum Aussichtspunkt über The Neck. Die Insel ist hier echt schmal und besteht nur aus einem Strand, ein bisschen Düne und der Straße, und dann steht man schon wieder im Wasser. Der Aussichtspunkt ist der starken Aboriginal Frau Truganini gewidmet. Ihre Geschichte liest sich aber eher so, als wäre alles schiefgegangen, was sie angefasst hat. Selbst nach ihrem Tod noch, da sie nicht wie gewünscht eingeäschert und vor Bruny Island verstreut wurde. Wir genießen den Rundumblick einfach trotzdem. Unten in den Dünen wartet noch eine Aussichtsplattform für Sturmtaucher und Pinguine auf uns. Für die Pinguine ist aber gerade nicht die Tageszeit. Sie kommen erst ab Sonnenuntergang aus dem Meer zurück in ihre Höhlen. Die wiederum sind als Löcher in der Düne ganz gut zu erkennen. Aber keiner der Bewohner ist da. Entschuldigung, liebe Sturmtaucher, aber ihr seid nicht ganz so interessant für uns. Trotzdem gehen wir noch ein Stück am Strand auf und ab, bevor wir wieder aufsitzen und zum Captain Cook Holiday Park fahren, unserem heutigen Zeltplatz.

„Hier, hier, hier und da sind Zeltwiesen. Hier, hier und hier ist aber eigentlich schon voll.“ Na toll, dann bleibt ja eigentlich nur noch eine Zeltwiese übrig. Wir drehen eine Runde über den Platz und entscheiden uns dann für die eine Zeltwiese, die noch frei ist. „Wiese“ ist allerdings eine ziemliche Übertreibung. Sie liegt in einem kleinen Wäldchen und von Gras ist keine Spur. Wir ziehen und zuppeln ein bisschen hin und her: Mal ist der Boden komplett schief und krumm, mal sind lauter Wurzeln im Weg, eine andere Stelle ist ganz gut, sieht aber so aus, als würde hier die erste Pfütze entstehen, falls es regnet… Letztendlich finden wir ein vielversprechendes Plätzchen, beseitigen ein paar Ästchen und Stöckchen und stellen das Zelt auf. Direkt dahinter verläuft der Captain Cook Creek und plätschert vor sich hin.

Wir fahren fünf Minuten weiter, zum nähesten Ausläufer des South Bruny Nationalparks, wo schon die zweieinhalbstündige Wanderschleife zum Fluted Cape und zurück auf uns wartet. Am Startpunkt gibt es kein Besucherzentrum, keinen Trinkwasserspender und auch keine öffentlichen Toiletten. Das sind wir besser gewohnt vom restlichen Tasmanien. Stattdessen gibt’s einen kommerziellen Anbieter für Bootstouren und ein Restaurant. Dürfen wir deren Parkplatz einfach nutzen ohne Restaurantbesuch oder Bootstour? Da der öffentliche Parkplatz voll ist, lassen wir es einfach mal drauf ankommen und wandern los. Zuerst gehen wir immer an der Küste lang bis zum Grassy Point. Gegenüber liegt Penguin Island, von den Namensgebern ist aber wieder niemand auszumachen. Ab hier geht es steil bergauf, immer dicht an den Klippen entlang und alles ohne Absperrung. Dafür, dass überall stand, dass man die Runde nur im Uhrzeigersinn laufen soll, kommen uns echt viele Leute entgegen, was auf dem schmalen Weg an den Klippen nicht gerade hilfreich ist. Immer wieder erreichen wir Punkte, die so aussehen, als wären sie die Spitze, nur um bei Erreichen zu sehen, dass es noch weiter bergauf geht. Als wir dann aber wirklich die Spitze erreicht haben, machen wir Pause an den Klippen.

Hier ist Australien von der Antarktis abgebrochen. So gesehen sitzen wir gerade auf einem Stück Antarktis. Damit können wir an den Kontinent auch gleich einen Haken machen… Wir genießen den Ausblick und beobachten ein paar kleine Eidechsen und ein paar viel zu groß geratene Ameisen. Lulu genehmigt sich einen Quetschie und einen Riegel, mir ist heute nicht danach. Der Abstieg ist deutlich sanfter als der Aufstieg und führt über den waldigen Bergrücken. Der Weg ist zwischendurch immer wieder sehr schmal und es ragen Büsche von links oder rechts in den Weg. Irgendwann ist es dann soweit und wir treffen auf unsere dritte Schlange. Heute bin ich vorne. Wie auch schon die erste, verzieht sich auch diese Schlange schnell in die Büsche. Ein paar Pademelons sehen wir unterwegs auch noch.

Zurück auf dem Zeltplatz haben wir Nachbarn gekriegt. Wir dösen erstmal im Zelt und erholen uns von der Wanderung. Gegen 18 Uhr brechen wir auf zum Abendbrot in der Gemeinschaftsküche des Campingplatzes. Heute gibt es Kartoffeln und Mischgemüse und dazu wahlweise Bifi oder Dosenthunfisch. Es herrscht Andrang und als ein Tisch frei wird, stürzen wir uns drauf. Ein anderes Pärchen stürzt mit, aber wir teilen uns den Tisch gern und erzählen ein bisschen. Die beiden kommen aus dem französischsprachigen Teil Kanadas. Wir erzählen über unsere Reise und was noch vor uns liegt und über unsere beiden Erlebnisse mit Schlangen. Sie erzählen ein bisschen von Kanada und von Australien. Sie kommen jedes Jahr nach Australien, da ihre Tochter hier wohnt. Sie haben noch nie eine Schlange gesehen und sie sind ein bisschen neidisch auf unsere Schlangen-Kontakte. Anschließend machen wir den Abwasch und lassen den Abend in unserem mobilen Wohnzimmer ausklingen. Draußen ist es kühl geworden.

13.03.

Wir müssen heute nicht weiterreisen. Wir gönnen uns den Luxus und lassen den Wecker erst um 8:30 Uhr klingeln, stehen in aller Ruhe auf und begeben uns genauso entspannt und ohne Zeitdruck zum Frühstück. Die Kanadier sind auch wieder da, sitzen aber an einem bereits vollbesetzten Tisch. Beim Abwasch frage ich mal rum, ob noch jemand eine Gaskartusche braucht, da wir ja morgen schon wieder fliegen müssen. Leider findet sich niemand.

Wir haben ca. 60 Minuten Fahrt bis zur Labillardiere Halbinsel vor uns. Wir können den kurzen Weg fahren oder den langen, für beide spuckt das Navi dieselbe Zeit aus. Ich entscheide mich für den kurzen Weg. Der ist ganz schön holprig, aber mit dem Auto lässt sich das durchaus machen (Danke fürs Aufschwatzen, Herr Hertz). Vom Parkplatz startet ein Rundweg um die Halbinsel, der 18 Kilometer lang ist und fünfeinhalb bis sechseinhalb Stunden dauern soll, oder auch nur fünf Stunden, je nach dem, welchem Schild man Glauben schenken mag. Da es schon kurz nach 12 Uhr ist und wir noch für den morgigen Flug nach Melbourne packen müssen, entscheiden wir uns für die abgekürzte Runde, die laut Schildern ca. zweieinhalb Stunden dauern sollte. Auch die kurze Runde bietet ein paar schöne Aussichten und auf dem Rückweg wunderschöne Strände in geschützten Buchten und immer wieder wechselnde Ausblicke auf das tasmanische Festland. Das letzte Stück des Weges ist mal wieder ziemlich schmal, aber heute ohne Schlangen. Nach nicht einmal 90 Minuten sind wir wieder zurück am Auto. Dann hätten wir vielleicht doch die lange Runde machen können.

So können wir noch den Leuchtturm am Cape Bruny besuchen. Das Kap ist schon beeindruckend. Unter uns zerschellen die Wellen an den Klippen und Felsen. Der Leuchtturm hier ist der drittälteste Australiens, der zweitälteste, der noch steht, aber auch der mit den meisten Dienstjahren. Wir stehen so rum und genießen die Ausblicke, da spricht uns eine ältere Dame an. „Ihr seid so niedlich zusammen. Darf ich ein Foto von euch machen?“ „Öhm… na gut…“ Dann lassen wir eben ein Foto von uns machen. Danke, ältere Dame. So haben wir mal wieder eins, auf dem wir beide drauf sind und was kein Selfie ist. Die geführte Leuchtturmtour lassen wir aus und begeben uns auf den längeren Weg zurück zum Campingplatz. Die Strecke ist deutlich unaufregender als der kurze Weg.

Wir haben neue Nachbarn und sie stehen direkt neben uns. Hoffentlich schnarchen die nicht. Wir wechseln die Schuhe und starten einen Strandspaziergang in Richtung Norden. Der ist natürlich nur komplett mit einem Eis, das wir uns an der Rezeption besorgen. Am nördlichen Ende des Strandes finden wir eine Bucht umgeben von Klippen, die man bei höherem Wasserstand wohl nicht oder zumindest nicht trockenen Fußes erreichen kann. Auf dem Rückweg stoppen wir an einem Spielplatz, wo Lulu eine Runde schaukelt und am Dorfkonsum, der gleichzeitig die einzige Tankstelle auf Bruny Island ist. Wir finden nichts Spannendes. Die Verkäuferin fragt ungläubig, ob wir schon durch sind oder ob wir Hilfe brauchen. „Weder noch, danke. Wir wollten nur mal gucken.“

Wir dösen ein bisschen im Auto bei einer Folge Die drei Fragezeichen. Ich fange an, meinen Rucksackschutzsack zu flicken, und dann startet die große Sortiererei und Packerei (also der anstrengende Teil des Tages). Eigentlich kann ich gar nicht so viel packen: Das Zelt und die Schlafausrüstung brauche ich noch, ebenso die Küchenutensilien und die Waschtasche. Aber immerhin sind der kleine Rucksack und die Bauchtasche fürs Handgepäck fertig. Dann gehen wir zum Abendessen in die Gemeinschaftsküche. Wir essen alles, was wir morgen nicht schleppen wollen: Asia-Nudeln, Käse-Schinken-Brötchen und die restlichen Tortilla-Schiffchen. Hinterher gibt’s noch Äpfel und Pringles. Irgendwie müssen wir auch die Zeit rumkriegen, denn zuerst wäscht ein älterer Herr gefühlt stundenlang ab und dann drängelt sich noch ein Mädel dazwischen, das zwar die Spüle blockiert, aber nicht abwäscht, sondern lieber telefoniert. Hinterher lassen wir den Abend in unserem Wohnzimmer ausklingen. Dabei sind wir recht dick angezogen, denn es ist kühl geworden. Ab morgen Abend ist hoffentlich wieder Sommer.

14.03.

Gegen 6 Uhr wecken mich Regen und irgendwelche schreienden Vögel. Ich schaffe es aber nochmal einzudösen. Um 7 Uhr klingelt dann der Wecker. Schnell die Matratze, Schlafsack und Kopfkissen verpacken. Dann das Zelt abbauen und nass einpacken. Danach legt der Regen richtig los. Zum Glück ist schon alles im Auto. Wir gehen zum Frühstück in die Gemeinschaftsküche, dann legt der Regen nochmal eine Schippe drauf. Alles richtig gemacht bisher. Das Resteessen geht weiter: Cornflakes, Äpfel, Brot mit Erdnussbutter und Erdbeermarmelade, Schokobrötchen und dazu Tee oder Kaffee. Von der Küche gehen wir direkt zum Zähneputzen nebenan. Danach packen wir final die Rucksäcke, geben die Kloschlüssel an der Rezeption ab und fahren los in Richtung Fähre. Diesmal sind wir nicht die Letzten auf der Fähre, sondern stehen in der ersten Reihe mit bestem Ausblick.

Wir fahren bis kurz vor den Flughafen von Hobart. Dort gibt es eine Kombination aus Subway und Tankstelle. Also erstmal aufs Klo, dann tanken und dann noch ein Sandwich für den Rest des Tages mitnehmen. Am Flughafen stellen wir dann das Auto ab, räumen alles aus, kontrollieren nochmal alle Fächer und Ablagen, ob wir auch wirklich alles haben, und versuchen, den Autoschlüssel abzugeben. Eigentlich läuft das für uns problemlos, wir müssen nur auf den etwas unsympathisch wirkenden Herren vor uns in der Schlange warten, der während der Interaktion mit dem Autovermieter noch parallel irgendwelche wichtigen Dinge an seinem Laptop erledigen muss. Nachdem das Auto abgegeben ist, haben wir noch sechseinhalb Stunden, bis wir einchecken und unsere großen Rucksäcke abgeben können.

Der Flughafen Hobart bietet im Prinzip nichts zur Unterhaltung der Wartenden. Das Einzige, was es gibt, ist ein kleines Café. Aber wir sind eigentlich bestens eingedeckt. Hinter uns sitzt ein deutsches Pärchen auf der Bank (oder sind es Vater und Tochter?). Sie haben noch wichtige Termine, irgendwas klappt mit dem Mietwagen nicht und sie denken über eine Schadensersatzklage gegen den Autovermieter nach. Oder können sie woanders einen Mietwagen holen und den ersten Verleiher dafür zahlen lassen? Ich klinke mich mal wieder aus dem fremden Gespräch aus und schreibe noch ein bisschen an Neuseeland rum. Lulu kümmert sich derweil um die Indonesien-Planung.

Irgendwann ist die Zeit gekommen und wir können einchecken und durch die Sicherheitskontrolle gehen. Diesmal habe ich wirklich alle Taschen ausgeleert, die Uhr abgenommen, aber dummerweise den Gürtel vergessen. Also darf ich ohne Gürtel eine zweite Runde durch die Security drehen und dann geht’s auch. Unser Gate ist direkt hinter der Security. Wir belegen ein paar Plätze am Fenster und beobachten das Geschehen draußen. Das Boarding beginnt 15 Minuten früher als geplant. Wir können auch ohne weitere Passkontrolle einsteigen. Geht doch, warum ist das woanders nicht auch so? Die Rampe ins Flugzeug ist ganz amüsant: Statt einer einfachen Treppe hoch zur Tür läuft man hier eine Rampe in Serpentinen hoch. Alle machen Druck, dass sich die Passagiere beeilen sollen und wir loskommen. Es gibt eine Durchsage, dass sich ein paar Passagiere mal bemerkbar machen sollen, wenn sie schon an Bord sind, damit wir loskommen. Anscheinend sind sie da, denn die ganze Startprozedur beginnt: Türen zu, Gurtchecks, Sicherheitshinweise. Dann folgt ein abrupter Abbruch und der Captain sagt genervt: „Kabinen-Crew, Türen öffnen.“ Was ist denn nun los? Kaum sind die Türen offen, kommen drei Polizisten mit Hund den Gang entlang, verschwinden aber auch einfach wieder. Der Captain sagt hinterher noch durch, dass sie wohl jemanden gesucht haben. Die Prozedur startet von vorn und wir können tatsächlich los.

Wir landen in Melbourne. Es ist merklich wärmer hier. Als wir das Kofferband erreichen, dreht unser Gepäck schon seine Runden – netterweise ohne neue Schäden. Mit einem Uber fahren wir in unsere Unterkunft. Die ist nicht ganz so nett wie die bisherigen, sollte aber für ein paar Nächte ausreichen. Gibt’s hier eigentlich gefährliche Spinnen? Wie genau muss man alles absuchen? Es wird eine unruhige erste Nacht in Festland-Australien.

  1. Die Peene, die durch Anklam fließt, wechselt bei Hochwasser in der Ostsee gern mal ihre Flussrichtung. ↩︎